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Island im Winter - Tag 3, 50 Shades of snorkeling

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Silfra Spalte

Heute Morgen frühstücken wir früh, was den großen Vorteil hat, es sind noch keine Chinesen am Buffett.

Wir wollen spätestens um halb neun aufbrechen in Richtung des Nationalparks Þingvellir, der zum Golden circle Islands gehört, der wiederum eine beliebte Reiseroute in Südwest-Island ist. 

Auf einem Parklatz dort haben wir ein Date mit Extrem Iceland, wir sind zum Schnorcheln verabredet!

Doch zunächst müssen wir verarbeiten, dass es draußen schneit wie aus hunderten von Frau Holles Betten!

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Blick aus dem Hotel ins Schneegestöber.

Als wir losfahren, liegen schon 10-15 cm Neuschnee auf der Strasse. Diesmal setze ich mich hinter das Steuer, da es mir nix ausmacht, bei Eis und Schnee zu fahren. Hin und wieder halten wir für ein Foto an, es ist schön, so einen richtigen Winter zu erleben!

 

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Wir kommen ganz gut durch und sind schon gegen halb eins am Treffpunkt. Außer uns ist nur ein anderes Auto schon da, die Leute, die die Taucherausrüstungen vorbereiten, denn ja, hier wird auch getaucht. 4-5 Stunden soll das Ganze insgesamt dauern, das Schnorcheln in der Silfra-Spalte.

Es ist die Stelle auf Island, an der sich die Kontinentalplatten treffen und im Schnitt 2 cm pro Jahr auseinander driften.

Nach und nach trudeln immer mehr  Leute aller Nationalitäten ein. Wir werden in mindestens fünf Gruppen aufgeteilt. Unsere besteht aus zwei coolen Amerikanern, zwei aufgeregten Amerikanerinnen, einer Chinesin, die nicht schwimmen kann und uns Brittas. Unser Tourguide ist Thomas, der vor drei Monaten noch auf den Bahamas surfte, was für ein Jobwechsel!

Thomas bringt uns zum Treppeneinstieg ins Wasser und erklärt uns dort, wie es jetzt weiter geht. Zurück auf dem Parkplatz merke ich, dass ich meine dicken Socken im Auto vergessen habe, das wir auf einen anderen Parkplatz bringen mussten. Thomas hat ein großes Herz und leiht mir seine aus. Danke nochmal dafür!

Dann nimmt das Tohuwabohu seinen Lauf. Jeder bekommt einen Thermoanzug, einen Neoprenanzug, Neoprenhandschuhe und -Schuhe und darf sich im Van einen Platz suchen, um sich bis auf die lange Unterwäsche aus- und die sperrigen Sachen anzuziehen. Das Gedränge ist groß, es ist schweinekalt und keiner schaut beim anderen so genau hin, hoffe ich wenigstens.

Dann bekommt jeder von Thomas ein Halsband angelegt und wird eine Runde gewürgt. Es scheint ihm richtig Spaß zu machen und "50 shades of snorkeling" machen die Runde, bevor er die Kopfhauben verteilt. Hier und da wird am Neopren gezogen und schon hab ich das Ding über den Kopf hängen. Das Würgen geht noch ne Weile so weiter und ich habe langsam das Gefühl, kein Gefühl mehr zu haben. Zumindest an den Handgelenken ist diese Enge für mich fast unerträglich, aber da es nur mir so zu gehen scheint, halte ich eisern durch und lasse mir nix anmerken. Mittlerweile sehen wir alle aus wie Michelinmännchen und fühlen uns auch so. Daran wird sich auch bis zum Schluss nix ändern. Ich frage mich, wie um Gottes Willen soll man so bitte schwimmen?

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...unsere Umkleidekabine

So langsam schleicht sich nun auch die Kälte von unten an und einer zittert mehr als die andere. Wir fragen uns, warum um Himmels Willen wir uns das antun. Zu Hause am PC hörte sich die Beschreibung des Ganzen so toll an...

Irgendwann bekommt auch der Letzte Flossen und Taucherbrille samt Schnorchel in die Hand gedrückt und wir watscheln rüber zum Einstieg. Und jetzt wirds erst richtig spaßig!

Vor uns stehen schon drei Snorkelinggruppen in einer langen Schlange wie bei Aldi an der Kasse und warten darauf, ins Wasser zu dürfen. Hinter uns schließt die fünfte Snorkelinggruppe auf und wird gerade von der sechsten Gruppe, den Tauchern, überholt. Die müssen als allererste ins Wasser, wegen der Ventile, versichert man uns. Die könnten einfrieren und dann ist der Tauchgang lebensgefährlich.

Das glaub ich wohl, habe jedoch nach einer Stunde Warterei bei -2 Grad das Gefühl, selbst in Lebensgefahr zu schweben! Nach einer weiteren unerträglichen halben Stunde, Füße und Finger sind trotz Thomas' Socken nicht mehr zu spüren, rückt unsere Gruppe endlich vor zur ersehnten Treppe. Thomas tut sein Bestes uns bei Laune zu halten und ist echt witzig drauf, obwohl er genauso frieren muss wie wir.

Jetzt darf jeder ordentlich in seine Taucherbrille spucken, die dann der Reihe nach eingesammelt, einmal untergetaucht und dann wieder zurück verteilt werden. Dabei achtet Thomas genau darauf, dass auch jeder seine eigene Brille wiederbekommt. Na wenigstens das ist gut organisiert!

Und dann, als es endlich soweit ist, traut sich keiner als erster rein in die Spalte. Bevor ich lange überlegen kann, watschel ich mutig nach vorn, die Stufen runter...und ende als auf der Wasseroberfläche treibende Tonne!

Während ich verzweifelt versuche, bäuchlings auf dem Wasser treibend mein Gleichgewicht zu finden, folgen die anderen mir nach. Beim ersten Eintauchen meines Gesichts ins Wasser verschlucke ich mich auch gleich und wälze mich prustend auf den Rücken, gar nicht so einfach!

Das Silfra Wasser ist lecker, denn es ist so rein wie Wasser nur sein kann. Es handelt sich um das Schmelzwasser eines 50 km entfernten Gletschers und das Wasser ist jahrelang durch Lavagestein geflossen, bevor es am Nordende des Sees aus unterirdischen Quellen wieder hervorquillt.

Thomas ruft mir zu, ob alles in Ordnung sei und ich zeige ihm hustend den nach oben gestreckten Daumen. Das wäre ja gelacht, wenn ich das nicht allein hinbekommen würde. Nach und nach beruhigt sich mein Atem und ich lasse mich vorsichtig wieder auf den Bauch gleiten. Jetzt beschlägt die rechte Seite meiner Tauchebrille, ich habe wohl nicht genug gespuckt. Also drehe ich mich wieder auf den Rücken, nehme die Brille ab, spucke nochmal rein, spüle mit Wasser nach und setzte sie wieder auf. zurück auf den Bauch rollen und...die Brille beschlägt wieder! Mist, also alles nochmal von vorn und jetzt bleibt die Taucherbrille klar, na geht doch!

Ab jetzt läuft alles wie geschmiert. Manchmal muss mich Thomas zurückpfeifen, weil ich zu schnell bin und mich zu sehr von der Gruppe entferne. Wir Brittas haben uns schon lange aus den Augen verloren, wir sehen ja alle gleich aus! Ansonsten ist Thomas mit der Chinesin beschäftigt, die er durch das Wasser zieht, und mit Fotografieren. Die quadratischen Fotos im Filmchen sind alle von seiner Unterwasserkamera.

Leider wird uns auch im Wasser nicht warm, weil wir uns kaum bewegen. Aber zumindest dafür entschädigen uns die fantastischen Farben unter Wasser und der absolut klare und weite Blick auf diese skurile Unterwasserwelt! Und dazu dieses unglaubliche Gefühl, zwischen zwei auseinanderdriftenden Kontinenten zu schwimmen, großartig!

 

Nach diesem gefühlt kurzen Vergnügen im Wasser wanken wir steif und frierend an der Spalte entlang zurück zum Parkplatz.

Wir brauchen fast eine weitere Stunde, um uns aus den Anzügen zu schälen. Ich stelle zum einen fest, dass meine Handgelenke feuerrot geschwollen sind und jucken wie Tier. Stimmt ja, ich habe eine Latexallergie, wußte bloß nicht, dass das Material des Ärmelbündchens Latex ist. Zum anderen bin ich als einzige bis auf die Unterhose nass, das kommt vom vielen Drehen im Wasser. Britta leiht mir ihre Strupfhose, denn Ersatzunterwäsche haben wir alle nicht mit. Irgendwann bin auch ich dann endlich soweit und Thomas reicht mir heißen Apfelpunsch, lecker!

Überrascht begutachtet er meine Handgelenke, sowas hat er noch nicht gesehen. Am Abend ist zum Glück alles wieder abgeschwollen.

Fazit: Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich vorher gewußt, wie lange man unter diesen Umständen in der Kälte warten muss, ich hätte das Schnorcheln nicht gebucht! Die 40 Minuten stehen in keinem Verhältnis zu der übrigen Wartezeit in der Kälte, obwohl das Erlebnis im Wasser dann eine tolle Erfahrung war. Aber so richtig genießen, wie es ohne Warterei hätte sein können, konnte ich das Ganze aufgrund der Friererei leider nicht. Und so bleibt ein kleiner Wermutstropfen hängen. Wenn du jedoch bereit bist, das alles auf dich zu nehmen, dann viel Spaß! Oder mach es im Sommer ;o)

 

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Þingvallavatn

Am liebsten hätten wir nach dieser Aktion den nächsten Hotpot aufgesucht, aber es befindet sich keiner in unmittelbarer Nähe. Außerdem sind wir viel zu neugierig auf diesen schönen Þingvellir Nationalpark und die Schlucht. Also packen wir uns Wärmepads in die Stiefel und nehmen die nächste Anhöhe, einen Aussichtspunkt über den See Þingvallavatn und  den Park in Angriff. Es schneit immer noch, manchmal so stark, dass man nicht sehr weit sehen kann, aber selbst das hat seinen Reiz. Wir stapfen durch den Schnee an Kirche und Friedhof Þingvellir vorbei und steuern dann auf eine hohe Felswand, die Allmännerschlucht zu, auf der sich oben der Aussichtspunkt befindet.

Þingvellir, das ist eine alte Volksversammlungsstätte der Isländer. Sie hielten ihre Versammlungen an diesem geologisch sehr eindrucksvollen Ort ab, denn die Allmännerschlucht ist quasi die Grenze zwischen Europa und Amerika. Genau durch das Tal verläuft die Grenze zwischen der Eursaischen und der Amerikanischen Krustenplatte. Vor etwa 9000 Jahren war hier statt des Tals eine Lavaebene zu finden. Durch die Bewegung der Krustenplatten bildeten sich Risse und ein Teil der Ebene begann langsam, sich abzusenken. Im Laufe der Jahrtausende sank das ganze Tal als Grabenbruch immer weiter ein. Die Bruchstrukturen sind im Bereich der Allmännerschlucht und am östlichen Ufer des Sees besonders deutlich zu erkennen. Die Platten bewegen sich auch heute noch mit einer Geschwindigkeit von etwa 2cm pro Jahr auseinander.

Wir wandern durch die Schlucht und können die unermesslichen Kräfte der Natur erahnen, die hier am Werk waren, sehr beeindruckend! Und ein Teil davon ist eben auch die mit Gletscherwasser gefüllte Silfra-Spalte, in der wir geschnorchelt sind.

 

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Blick über den Nationalpark mit dem Þingvallavatn

Als es für 10 Minuten aufhört zu schneien, öffnet sich ein herrlicher Blick über den See!

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Auf dem Rückweg zum Parkplatz verliere ich auf einer vereisten Treppe eine meiner Spikessohlen und finde sie auch nicht wieder. Nach einer ziemlichen Rutschpartie erreichen wir das Auto und machen uns auf den weiten Weg zum Geysir. Dort befindet sich auch unser nächstes Hotel.

Die Fahrt wird anstrengend, da ich mich nur an den rechts und links von der Straße stehenden gelben Pfosten orientieren kann. Ansonsten ist nur eins zu sehen: Weiss! Kein Horizont, kein Himmel, nix, nur weiss.

Nach einer Stunde hebt sich der Himmel und es hört auf zu schneien, wie herrlich! An einem verschneiten Parkplatz halten wir an, um die fantastische Aussicht zu genießen.

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An einem verschneiten Parkplatz am Golden Circle in Richtung Geysir.
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...alles weiß!

Nach einer weiteren halben Stunde verfärben sich die Wolken rosa und es dämmert immer mehr. Es ist mittlerweile schon fast 19 Uhr und es ist immer noch nicht dunkel!

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20 Minuten später erreichen wir das Hotel und sehen auf der anderen Straßenseite helle Dampfwolken über den Boden schweben. Wir stellen das Auto ab und ich beginne eine hektische Suche nach meinem Stativ, denn es wird jetzt schnell dunkel. Wenn ich also noch ein Foto vom Geysir machen möchte, brauche ich es unbedingt. Genervt vom Durcheinander im Auto gebe ich irgendwann auf und eile Britta hinterher. Besser den Geysir im Dämmerlicht noch erleben, als ihn im Dunkeln zu fotografieren. ;o)

Der Weg zum Geysir ist vereist und ich kämpfe mich mit einem Spike voran. Schon von weitem sehe ich die weiße Fontäne mit einem lauten Fauchen in den Himmel schießen, wow toll!

Vier Fotografen kommen mir entgegen und verlassen den Schauplatz, die beste Zeit ist also vorbei...egal, weiter gehts.

Einige wenige Leute stehen noch mit Britta am Loch des Stokkur und wieder schießt eine Fontäne in den Himmel. Auch zu dieser Zeit im Dämmerlicht ist das Spektakel sehr beeindruckend!

 

Im Dunkeln rutschen wir zum Auto zurück und suchen den Eingang zum Hotel Geysir, was nicht leicht ist. Das Hotel besteht aus mehreren Gebäuden, die über 500m an der Strasse entlang verteilt stehen. Die Rezeptionistin ist unglaublich nett und gibt uns ein besonders schönes Zimmer, weil wir so lange nach dem Hoteleingang suchen mußten. Da haben wir absolut nix gegen!

Sie telefoniert auch netterweise noch für uns mit unserer Autovermietung. Unser Dacia macht beim Fahren über bucklige Stellen Geräusche, als ob der Auspuff nicht mehr richtig befestigt ist. Das wollen wir lieber mal überprüfen lassen. Der Kollege von GoIceland will uns die Adresse einer Werkstatt in der Nähe später simsen.

Ziemlich erschöpft schleppen wir unsere Koffer und nicht wenigen anderen Prütteln den langen Flur entlang in unser tatsächlich sehr geräumiges und schönes Zimmer im Stil der 70er Jahre.

Es ist unglaublich großartig, nach diesem Tag unter der heißen Dusche zu stehen. Dann gibts heißen Tee und Bier aus dem Duty Free Shop, dazu eine Portion Couscous von Food Doctor mit heißem Wasser aus dem Tauchsieder aufgegossen, Taccos und isländische Schokolade, ein Festmal!

Und dann, als wir um elf schon lesenderweise im Bett liegen, explodiert draussen der Himmel: Nordlichtalarm!

Wo wir die Kraft noch hernehmen, uns wieder komplett anzuziehen, in die dicken Schuhe zu steigen und die Kameraausrüstung zu schnappen, weiß ich wirklich nicht. Es ist so richtig eisig draußen, aber wir ignorieren es, das grüne Flackern am Himmel ist zu schön! Auch wenn das Nordlicht schon wieder nachlässt, als wir uns endlich draußen positioniert haben, wir halten durch, bis der ganze Zauber nach einer Dreiviertelstunde wieder vorbei ist.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Antje Blume (Donnerstag, 17 März 2016 21:39)

    Liebe Britta,

    DANKE - dass du mich mitnimmst in die weite Welt :-) !!!

    Ich bin total fasziniert und freue mich auf die nächsten Tage...

    Begeisterte und liebe Grüße,

    Antje

  • #2

    Britta (Sonntag, 20 März 2016 14:53)

    Hach so schön, das alles nochmal erleben zu können - im warmen Kämmerlein ;-)
    Das Schnorchel-Video ist ja total klasse! Und die Nordlichtfotos!!!! :-*